Projektstudie Rheinhessen

Mainz-Hechtsheim

2. Der geschichtliche Hintergrund Hechtsheims

Um die Besonderheiten und damit die Identität Hechtsheims bestimmen zu können, ist es wichtig, zunächst noch einmal einen erweiterten Blick auf den geschichtlichen Hintergrund zu werfen. Dies ist in sofern von Bedeutung, dass auch heute noch einige historische Formen und Strukturen in Hechtsheim existieren. Sie bestimmen das heutige Ortsbild mit und stellen eine Besonderheit Hechtsheims dar.

Nach Lehr (1990: 5) entwickelte sich der heutige Ortsname Hechtsheim, als eine Ableitung des Namens „Hechid“ oder „Hachid“ von einem Fränkischen Herren, aus der Merowingerzeit im 6. und 7. Jahrhundert. Erste Siedlungsspuren im Gebiet des heutigen Hechtsheims rühren nach Lehr (1990: 5) jedoch bereits aus der Jungsteinzeit zwischen 6500-5500 vor Christus Keramisches Neolithikum und 5500-2200 vor Christus Kupfersteinzeit und aus der Glockenbecherzeit 2600-2200 vor Christus. Funde sind hierbei vor allem Keramiken und Spuren aus der beginnenden Metallverarbeitung, wie zum Beispiel die Becher aus der Glockenbecherzeit, welche zu dieser Zeit als Grabbeigaben als Beerdigungsritual galten. [1]

Des weiteren gab es laut Köhnlein (1982: 45) diverse Funde aus der römischen Zeit also aus der Zeit zwischen 17 vor Christus und 406 nach Christus in Hechtsheim. Vor allem fanden sich hier römische Feldbaugeräte sowie Spuren römischer Viehhaltung, der Steinbearbeitung und des Töpferhandwerks.

Besonders interessant wurde die Hechtsheimer Geschichte jedoch erst wieder zu Beginn der 1980er Jahre, als bei der Erschließung des damaligen Neubaugebietes „Laubenheimer Höhe“ Frankengräber gefunden wurden. Solche ab dem 6. und 7. Jahrhundert nach Christus, zur ältesten Merowingerzeit, entstandenen Gräberfelder sind auch heute noch auf der Hechtsheimer Frankenhöhe zu besichtigen. Laut Lehr (1990: 5) ist die fränkische Zeit nicht nur wegen dieser Gräber besonders wichtig, sondern auch weil zu dieser Zeit der Ort Dulcensheim im 13. Jahrhundert wüstgefallen ist. Dulcensheim, das schon vor Hechtsheim im Jahre 782 nach Christus zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde, lag laut Lehr (1990: 5) damals auf der Höhe zwischen Laubenheim, Bodenheim und dem heutigen Hechtsheim. Die letzte urkundliche Erwähnung fand Dulcensheim um 1207, weshalb man annimmt, dass der Ort bereits kurz darauf zur Wüstung wurde. Der Ort Hechtsheim, der sich aus den Ortsnamen Hehidesheim und Hexheim weiter entwickelt hatte, hatte das Glück sich das wüstgefallene Land einverleiben zu können. Laut Lehr (1990: 5) verzeichnete Hechtsheim dadurch einen Landzuwachs, welcher den Ort auf über 1400 ha Fläche wachsen und zum unumstritten größten Ort seiner Umgebung werden ließ.

Ab dem Hochmittelalter, nach 1200, entstanden laut Köhnlein (1982: 56) in Hechtsheim westlich des Schinnergrabens viele große Wirtschaftshöfe. Diese wurden im weiteren Verlauf der Geschichte allerdings meistens wieder zerteilt. Allerdings gibt es auch Gegenbeispiele, wie den Karthäuserhof. Der Karthäuserhof wurde nach Angaben von Lehr (1990: 5) 1421 erbaut, war damals in klösterlichem Besitz und wurde daher nicht zerteilt. Er ist heute noch der größte Wirtschaftshof in Hechtsheim und sehr zentral im alten Ortskern gelegen. Neben den anliegenden Hechtsheimer Weinflächen bewirtschaftet der Karthäuserhof seit 1990 auch die Flächen des Weisenauer Weinguts Jamin. Der Winzerhof verknüpft seinen Verkauf zusätzlich mit Veranstaltungen wie den Winzertagen, dem Weinfest am Kirchenstück, oder auch eigenen Live-Musik Veranstaltungen. Er stellt damit eine moderne Form des Winzerhofs, mit gezielten Verkaufsstrategien dar.

Abb.1: Der Karthäuserhof im Hechtsheimer Ortskern. Quelle: Eigenes Bild.

Auch die weiteren Hechtsheimer Winzerhöfe, wie zum Beispiel Fleischer, Lindenhof, Ringhof, Schneider und Stenner, sind mit diesen kulturellen Veranstaltungen verknüpft. Zusammen bilden diese Höfe zusammen mit einigen anderen Winzern den aus 15 Höfen bestehenden Winzerverein Mainz-Hechtsheim.

Während des Mittelalters war Hechtsheim auch von einem Wall mit Graben umgeben, dessen damalige Erstreckung heute noch an den runden Straßenverläufen der Ringstraße, Synagogengasse, Kanalstraße und der Straße am Zuckergarten zu erkennen ist. Nach Lehr wurde der frühere fränkische Weiler Hechtsheim im Mittelalter zu einem Haufendorf mit Gewannflur.

Auch in der Zeit der Französischen Revolution zwischen 1789 und 1799 wurde Hechtsheim laut Lehr (1990: 6) schwer getroffen und zwischen 1792 und 1793 zunächst von Frankreich besetzt. Diese Besatzung wurde allerdings von österreichischer und preußischer Besatzung abgelöst, welche anschließend wiederum von Frankreich abgelöst wurde. Diese Besatzungen endeten erst im Jahre 1814, als Hechtsheim wieder deutsch wurde. Nach dem 1. Weltkrieg wurde Hechtsheim allerdings erneut von französischen Truppen eingenommen und nach dem 2. Weltkrieg von US-Amerikanischen Truppen. Laut Informationen des Stadtplanungsamt Mainz (1988: 11) wurde die Hechtsheimer Geschichte von Kriegen stark beeinflusst und viele ältere Strukturen wurden hier, wie auch in anderen Teilen von Mainz zerstört.

Bemerkenswert ist des außerdem, dass Hechtsheim erst 1860 über den mittelalterlichen Begrenzungswall hinaus expandierte. Eine neue Arbeitersiedlung im Norden Hechtsheims entstand, auf welche heute noch die Namen Maurergasse, Zimmermannsgasse, Holdergasse und Ackergasse hinweisen. Aus der reinen Agrargemeinde Hechtsheim entwickelte sich nach und nach eine Wohn- und Arbeitersiedlung, mit zahlreichen agrarischen Elementen. Dieser Trend setzte sich laut dem Stadtplanungsamt Mainz (1988: 12) um 1870 - 90 in einer Norderweiterung entlang der alten Mainzer Straße fort. 1910 wurde westlich parallel zur alten Mainzer Straße ebenfalls ein neuer Siedlungsblock angelegt und ein neues Siedlungsgebiet um das sogenannte Jägerhaus herum entstand. Seit Mainz 1950 zur Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz wurde, konnte auch die bauliche Entwicklung Hechtsheims laut Lehr (1990: 8), welches 1969 zwangseingemeindet wurde, vorangetrieben werden. Es wurde eine Verbindung des Ortskerns mit dem Jägerhaus errichtet und zugleich eine Erweiterung im Bereich des Dreiecks zwischen der Rheinhessenstraße, Heuerstraße und Schinnergraben mit Einfamilienhäusern bebaut. Die verbliebenen Flächen dieses Gebietes wurden bis in die 80er Jahre erschlossen. Während der 70er Jahre wurde zusätzlich ein großzügig angelegtes Villenviertel am Kirchenstück errichtet. Weiterhin entwickelten sich zu dieser Zeit nach Lehr (1990: 8) die Gebiete Hechtsheimer Höhe, Frankenhöhe und das Gebiet an der Autobahn A60. Anfang der 60er Jahre wurde schließlich ein Industriegebiet westlich der Rheinhessenstraße eingerichtet, welches heutzutage einen extremen Gegenpol zu den Wohn- und Agrararealen des übrigen Hechtsheims darstellt. Aufgrund diverser Erweiterungen ist Hechtsheim heute das größte zusammenhängende Gewerbeareal des Rhein-Main-Gebietes. Die über 100 Hektar große Fläche des Gewerbegebietes wird laut der Homepage der Mainzer Messegesellschaft von Medienunternehmen, sowie Forschungs- und IT-Firmen als auch Speditionen verwendet. Erweitert wurde das Gewerbegebiet am 12. März 2005 um einen Messepark, auf dem auch die Rheinland-Pfalz-Ausstellung stattfindet.

Zusammengenommen ist die geschichtliche Entwicklung Hechtsheims also sehr turbulent verlaufen und hat sich auf die heutige Situation ausgewirkt. Besonders zu betrachten sind dabei die historisch entstandenen Winzerhöfe, die das Ortsbild stark prägen und Hechtsheim als Weinort, ohne eigene Weinanbaugebiete zusätzlich interessant machen. Außerdem ist der außerordentliche Flächenzuwachs durch das wüst gefallene Dulcensheim von großer Bedeutung, welches die besondere Größe des heutigen Ortes überhaupt erst ermöglichte. In diesem Zusammenhang ist auch die große Zahl von Neubaugebieten von Interesse, durch die das Ortsgebiet abermals erweitert wurde. Zu guter Letzt sind die jüngeren Entwicklungen des Gewerbegebiets und der Messe von großer Bedeutung, die einen starken Gegenpol zum restlichen Hechtsheim darstellen. Es vollzog sich im Laufe der Jahrhunderte ein Wandel Hechtsheims von einem Agrardorf über eine Wohnsiedlung hin zu der heutigen Mischung aus Agrar-, Wohn-, und Industriesiedlung. Diese Unterschiedlichkeit der Siedlung in sich macht es schwer eine einheitliche Identität Hechtsheims herauszufinden, falls es diese tatsächlich geben sollte. Die extreme Abgrenzung zwischen dörflichen Wohngebieten und modernen Industriestandorten stellen jedoch auf der anderen Seite einen Reiz Hechtsheims dar. Es handelt sich hierbei um einen dörflich-städtischen Raum, ein ländliches Idyll in direkter Stadtnähe. Um den Zwiespalt zwischen Industrie- und Wohn-, bzw. Arbeitersiedlung näher zu untersuchen wird in Kapitel 5 eine Einteilung Hechtsheim anhand eines Ortsplanes vorgenommen, die die entsprechenden Gebiete näher erläutert.


[1] Die Glockenbecherkultur ist ende der Jungsteinzeit entstanden. Ihren Namen erhielt sie aufgrund eines Totenrituals, bei dem den bestatteten Personen jeweils besondere Becher als Grabbeilage beigelegt wurden. Besonders bei den Begräbnissen von Menschen aus der Glockenbecherzeit sind zudem die strengen Rituale über die Anordnung der Bestatteten in ihren Gräbern.
Quelle: http://www.ufg.uni-freiburg.de/d/publ/gb_cremade.html